Monday, August 21, 2017

Die SPD stellt sich selbst ein Bein

Vorab sollte ich Ihnen, liebe Leser, gegenüber etwas klarstellen: Ich kann keinerlei Arbeitserfahrung als Politikberater vorweisen, die über das Kaffeekochen im Praktikum hinausginge, ich habe nie einen Wahlkampf gemanagt und ich verfüge nur über abstrakte Vorstellungen darüber, wie man aus der politischen Palette an Gesichtern und Charakteren den einen Kandidaten mit Gewinnerpotential herauspickt.
Nichtsdestotrotz erkenne ich mit großer Wahrscheinlichkeit dennoch eine politische Atombombe, wenn sie innerhalb meiner Sichtweite detoniert. Deshalb bin ich mir auch ziemlich sicher, dass ich dieser Tage Zeuge wurde, wie es ungefähr einen Meter hinter Martin Schulz plötzlich grell aufblitzte und ein Atompilz gen Himmel stieg, dessen radioaktive Wolke sich anschließend über die SPD-Kampagne ausbreitete und alle vielleicht noch lebenden Hoffnungen auf einen Sieg mit ihrem toxischen Fallout bedeckte, gefolgt von einem nuklearen Winter.

Die Rede ist von den nur wenigen Sekunden, in denen der SPD-Kanzlerkandidat gegenüber der Fernsehöffentlichkeit erklärte, wie „fassungslos und bestürzt, wütend und traurig zugleich“ uns die Anschläge in Katalonien mal wieder zurückließen – mit dem dazu passenden Mienenspiel. Für die Atombombe, die die ernsthaften Bemühungen von Martin Schulz um ein moralisch hochwertiges Statement zu grauer, aber hochwertiger Asche verbrennen ließ, sorgte die SPD-Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Berlin-Mitte Eva Högl. Frau Högl tat dabei eigentlich nur das, was gute Politiker so tun – lächeln, winken und eifrig die Hände von Parteifreunden schütteln. Unglücklicherweise bemerkte Frau Högl nicht, dass ihr Tun ebenfalls von einigen Fernsehkameras einfangen wurde und sie die Inszenierung damit ad absurdum führte: Die Trauermiene von Martin Schulz im Vordergrund und die strahlende, übermütige Eva Högl im Hintergrund zusammen in derselben Einstellung ergeben eine Wirkung, die man untertrieben als unfreiwillig komisch und vielleicht gar nicht übertrieben als katastrophal bezeichnen kann.
https://www.tichyseinblick.de/meinungen/die-spd-stellt-sich-selbst-ein-bein/

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